Sonntag, 5. Mai 2013

Ankunft


Die fast acht Stunden Flug vergehen, ohne dass ich auch nur eine Minute schlafen kann. Um etwa halb zehn morgens (Ortszeit) landen wir auf dem Flughafen der indischen Hauptstadt. Die Sicht ist schlecht. Alles ist von einem grauen Dunst umgeben.

Über die Brücke des Flugsteigs betreten wir die klimatisierten Räumlichkeiten des Flughafens von Neu-Delhi. Der Boden ist mit Teppich ausgelegt. Die Schilder sind zweisprachig Hindi-Englisch. Ansonsten lässt sich nichts Besonderes ausmachen. Die Sicherheitskontrolle scheint etwas langsamer zu sein, als in Europa. Männer und Frauen werden getrennt kontrolliert. Schließlich kommen wir im Abflugbereich des Flughafens an. Alles ist sehr modern. Abgesehen von den Menschen ist das Terminal von europäischen Flughäfen kaum zu unterscheiden. Die meisten Reisenden sind Inder. Einige davon Sikhs, mit Turban und Bart, andere davon Moslems, die Frauen verschleiert und einige Herren in traditioneller Kleidung und Käppchen auf dem Kopf. Wir suchen nach einem Geschäft, das Geld umtauscht. Auf Anfrag wird uns an der Info freundlich mitgeteilt, dass im Terminal kein Geld getauscht wird, aber dass die Duty Free Shops Dollar, Euro und diverse Kreditkarten akzeptieren. Und das Wechselgeld? Wird in Rupien gegeben. Wir suchen also eine nicht zu teure indische Süßigkeit aus und bezahlen in Euro. Das macht dann vier Euro. Ich gebe einen Zwanziger. Ob ich nicht einen Fünf-Euro-Schein hätte. Ich tue so, als ob ich nachsehe, und sage, dass ich leider keinen hätte. Nun bekomme ich meine ersten Rupien. Und kurz darauf auch meine ersten Bauchschmerzen in Indien.

Immer wieder verspüre ich stärkere werdende Schmerzen in der Magen-Darm-Gegend. Irgendwann halte ich es nicht mehr aus und suche eine Toilette auf. Das WC ähnelt seinem europäischen Pendant. Es gibt eine Rolle Klopapier und rechts in der Ecke der kleinen Kabine steht ein Mülleimer. In der linken Ecke ist jedoch ein Schlauch für Wasser. Ich habe ein bisschen Angst, dass es wahr sein könnte, dass das indische Rohrsystem kein Toilettenpapier verdaut und mitsamt brauner Brühe wieder auswirft. Also probiere ich den Wasserschlauch aus. Ist wie eine Minidusche und funktioniert erstaunlich gut. Nur darf man nicht zu fest auf den Knopf drücken, sonst sorgt der Wasserdruck dafür, dass man die ganze Kloschüssel duscht und selbst ein paar ordentliche Sprenkler abbekommt. Ich schaffe es trocken daraus zu kommen und muss sagen, dass es insgesamt eine angenehme Erfahrung ist.

Nach ein wenig Ruhe geht es daran ein paar Rupien in einem indischen McDonalds auszugeben. Die Hamburger sind entweder vegetarisch oder mit Hühnchen. Natürlich, Kühe sind in Indien heilig. Anstatt des Big Mac gibt es den MaharadjaMac. Wir entscheiden uns für einen Gemüsehamburger und den McPanir, mit frittiertem indischen Käse. Letzterer ist durch seine Soße recht scharf. Aber beide sind sehr lecker und man erkennt deutlich die indischen Einflüsse, was die Würzung angeht. Leider haben wir vergessen die Cola ohne Eis zu bestellen. Aus Angst davor, die Eiswürfel könnten aus durchfallerregendem Leitungswasser bestehen, schmeißen wir die Cola in den Müll. Ich fühle mich ein wenig schlecht deswegen, aber ich möchte auch keinen weiteren Durchfall riskieren. Nach dem Essen machen wir es uns auf Liegen bequem und warten auf unseren Anschlussflug. Gerade rechtzeitig zum Boarding wachen wir auf. Ich hatte es etwas Schlaf nötig und ich fühle mich deutlich besser. In einer kleineren Maschine geht es nach Kolkata (früher Kalkutta). Fast alle Passagiere sind Inder. Langsam kommen wir Land und Leuten näher, denke ich mir, obwohl wir eigentlich schon dort sind. Nach zwei Stunden Flug landen wir in Kolkata.

Wir steigen aus dem Flugzeug und die warme Abendsonne Kolkatas scheint uns ins Gesicht. Und zum erstem Mal können wir Indien riechen. Wir steigen in alte Busse und dabei riecht es hauptsächlich nach Benzin. Die Fahrt ist kurz. Im Flughafengebäude geht es durch die Passkontrolle. Ich verstehe den Beamten kaum aber alles scheint in Ordnung zu sein und wir können weiter zur Gepäckausgabe. Dieser Flughafen ist kein bisschen so wieder der von Delhi. Eher eine alte Baracke. Alles ist alt. Sieht eher aus wie ein alter Provinzbahnhof in Deutschland, nur größer. Und das in der drittgrößten Stadt Indiens. Nach kurzem Warten sehen wir unsere Rucksäcke. Wir hollen das Anti-Moskito-Spray heraus und sprühen uns damit ein. Das veraltete Flughafengebäude ist voll von Moskitos. Wir verlassen die Gepäckausgabe und begeben uns in die Eingangshalle.

Das erste was wir in der Eingangshalle sehen, ist auf der linken Seite der erhoffte Prepaid-Taxi-Laden. Wir wollen ein Taxi zum Broadway Hotel im Zentrum von Kolkata. Ich bezahle 300 Rupien und bekomme einen Schein ausgestellt. Wir biegen links ab und verlassen das Flughafengebäude. Vor uns liegt eine breite Straße, auf deren anderer Seite eine Reihe Taxis steht. Auch ein kleines Häuschen steht daneben. Es gehört zum Taxiunternehmen und man gibt uns dort die Nummer des Taxis, das uns transportieren wird. Glücklicherweise ist es das erste in der Reihe. Ein alter Mann hilft uns, unsere Rucksäcke in den Kofferraum des Taxis zu legen. Dann setzen wir uns auf die Rückbank des Taxis. Es stellt sich heraus, dass der Fahrer ein andere ist, und der alte Mann gibt uns durch das Fenster zu verstehen, dass er entlohnt werden möchte. Ich überlege. Auf der anderen Seite versucht uns ein anderer Mann dazu zu bewegen, dass wir dem Alten etwas geben. Ich gebe ihm zehn Rupien und schon tritt der Fahrer auf das Gaspedal.

Vorbei an alten Häusern, Hütten, notdürftigen Zelten geht es in Richtung Zentrum. Das vermuten wir zumindest. Man das hier nicht mit einer europäischen Stadt vergleichen. Deshalb fällt es schwer zu erkennen, was hier eher nach Zentrum aussieht und was weniger. Der Verkehr ist chaotisch, alle hupen ständig. Alles ist staubig und durch die geöffneten Fenster bekomme ich ständig etwas in die Augen. Würde der Fahrer jedoch die Fenster schließen, wäre es vermutlich unerträglich heiß im Auto. Und die alten Taxis sehen nicht danach aus, dass sie Klimaanlage haben. Es riecht öfter nach Verbranntem. Bürgersteige sind kaum zu sehen. Vor Allem Staub und Sand. Ein Mann liegt bäuchlings im Dreck. Zwischen den heruntergekommenen Häusern plötzlich funkelnagelneues KFC-Restaurant. Als wenn es vom Himmel gefallen wäre, so unwirklich wirkt es in dieser Szenerie. Der Taxifahrer muss öfters Kollegen nach der Straße unseres Hotels fragen. Irgendwann halten wir links am Straßenrand an und wir versuchen dem Taxifahrer mit der Karte in unserem Reiseführer zu helfen. Er studiert die Karte und fragt schließlich: “Chandni?”. Bejahend sage ich Chandni Chowk und alles scheint geklärt zu sein. Vielleicht kannte er die Metrostation. Etwas später halten wir in der Straße des Hotels. Die Straße kommt uns ziemlich merkwürdig vor, aber wir sehen uns kaum um, da wir so schnell wie möglich auf unser Zimmer wollen. Wir klären alles Nötige an der Rezeption ab und gehen dann hoch auf unser Zimmer. 

Das Zimmer ist groß, mit hoher Decke. Die Einrichtung alt und sehr einfach gehalten. Wir lassen unsere Rucksäcke im Zimmer und fragen an der Rezeption nach einer Wechselstube und einem Internetcafé. Man schickt einen Mitarbeiter des Hotels mit uns, um uns die Wechselstube zu zeigen. Praktischerweise liegt die in einer Straße direkt um die Ecke, allerdings eher versteckt in einem Hauseingang. Es ist schon dunkel und ich denke mir, dass ich in diesen schmalen, dreckigen Hauseingang alleine niemals hineingegangen wäre. Vielleicht nicht mal tagsüber. Da ich meinen Reisepass nicht dabei habe, geht es noch ein Mal zurück ins Hotel. Der Tausch dauert eine gefühlte Ewigkeit. Zwischenzeitlich verlässt jemand mit meinem Pass den Raum. Ich hoffe, dass das normal ist. Am Ende wendet sich alles zum Guten und ich bekomme rund 7000 Rupien für 100 Euro. Im Anschluss machen wir uns auf die Suche nach dem Internetcafé. Wir finden es auf Anhieb und auch dort werden wir gebeten die Reisepässe vorzuzeigen. Es muss leider etwas Organisatorisches für die Uni geklärt werden. Immer eine unangenehme Sache. Nach einer knappen Stunden gehen wir zurück zum Hotel.

Das Hotel hat eine Bar im Untergeschoss. Es wird Alkohol ausgeschenkt und die meisten Besucher sind Männer. Bei genauerem Hinsehen fällt mir auf, dass D. die einzige Frau im Raum ist. Vermutlich ist Alkohol in Indien nichts für Frauen. Man kann in der Bar auch essen, deshalb sind wir hergekommen. Obwohl die Teller leicht schmutzig sind, ist das Essen an sich recht gut. Nachdem wir es uns schmecken lassen haben geht es hinauf ins Zimmer. Erst unter die Dusche, dann ins Bett. Zum Schlafen brauchen wir allerdings Ohrenstöpsel. Der Verkehr auf der Straße vor dem Hotel reißt nicht ab. Und Verkehr bedeutet hier ununterbrochenes Hupen. Es vergeht fast keine Sekunde in der kein Hupen zu hören ist. Mit den Ohrenstöpseln geht es dann aber einigermaßen. Nachts wache ich auf. Es könnte auch schon früh morgens sein. Es ist aber noch dunkel. Immer noch ist Gehupe zu hören. Vielleicht etwas weniger als Am Abend. Irgendwo ist eine Flöte zu hören. Ununterbrochen. Es ist keine fröhliche Melodie. Eher unheimlich. Noch unheimlicher ist, dass es noch dunkel ist. Spielt jemand nachts auf der Straße Flöte? Sehr merkwürdig. Dann kommt ein neues Geräusch dazu. Ich brauche einige Sekunden im mir bewusst zu werden, dass es sich um den Gesang des Muezzins handelt, der zum Gebet aufruft. Natürlich, ich hatte fast vergessen, dass ein Teil der Bevölkerung, besonders in Nordindien, muslimisch ist. Als Moslem muss man scheinbar schon früh aus den Federn. Ich kann noch Mal einschlafen.

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